Wirtschaftswunder-Siedlung im Bielefelder Westen

Scholle-Bewohnern feiern "50 Jahre Flehmannshof"

Am Samstag, den 22. August feiern die Bewohner des Siedlungsgebietes Flehmannshof das 50-jährige Bestehen ihrer Siedlung. Dazu haben die Mitglieder ein großes Fest für Jung und Alt organisiert. Höhepunkt des Jubiläums ist zweifellos die Ehrung der 26 Jubilare, die von Beginn an in ihrem Siedlungsgebiet wohnen. Außerdem weiht die Freie Scholle im Rahmen des Festes eine weitere von den Bewohnern selbst gestaltete Mosaik-Säule ein.

„Genossenschaft ist Nachbarschaft“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Freien Scholle Bernhard Koppmann in seinem Grußwort zu Beginn der Jubilarehrung. „Aber Nachbarschaft braucht stabile Strukturen. Dazu wiederum braucht sie Menschen, die sich in ihrer Wohnung zuhause fühlen.“ Die Jubilare haben gezeigt, dass es sich in der Freien Scholle am Flehmannshof gut wohnen lässt. Aus diesem Grunde hätten sie einen großen Anteil am guten nachbarschaftlichen Miteinander in der Siedlung. Er gratulierte den Jubilaren deshalb nicht nur zu ihrem Jubiläum, sondern dankte ihnen gleichzeitig für ihre Treue zur Genossenschaft.

Koppmann erinnerte daran, dass 1959 in Bielefeld eine große Wohnungsnot herrschte. Die Menschen brauchten viel Geduld, um eine Wohnung in der Freien Scholle zu bekommen. Die Wartezeiten betrugen mehrere Jahre. Für den Bezug ihrer Wohnung mussten sie dann Genossenschaftsanteile in Höhe von 1.500 D-Mark übernehmen. Koppmann: „Bedenkt man, dass eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 60 m² im Jahr 1959 immerhin 76,30 DM pro Monat kostete, dann kann man sich vorstellen, welchen finanziellen Kraftakt die Mitglieder geleistet haben.“ Zwar habe es die Freie Scholle damals als ihre zentrale Aufgabe angesehen, „gute und vor allem bezahlbare Wohnungen für den kleinen Mann“ zu bauen. Ohne diese engagierte Selbsthilfeleistung der Mitglieder wäre das in dieser Form aber nicht möglich gewesen.

Insgesamt baute die Freie Scholle zwischen 1958 und 1960 am damaligen Kipps Hof 171 Wohnungen und 53 Eigenheime. Da auf der grünen Wiese gebaut wurde, wurde für die Versorgung der Bewohner auch eine Arztpraxis, ein Konsum ein Bäcker, eine Drogerie und eine Gaststätte von vornherein mitgeplant.

Die Architektur spiegelt die Zeiten des Wirtschaftswunders wieder: Die Häuser wurden in der für die damalige Zeit typischen Zeilenbauweise mit großen Grün- und Freiflächen gebaut. Im Gegensatz zum Schlichtwohnungsbau der frühen fünfziger Jahre baute die Genossenschaft alle Wohnungen mit Balkonen, die Bäder waren gefliest und mit einer Badewanne ausgestattet.

Dementsprechend beschrieb 1959 die Freie Presse im September die Siedlung als „Musterbeispiel modernen Wohnens“, bei dem sich „eine moderne Bauplanung, abgestimmt auf die Wünsche der Wohnungssuchenden“ durchgesetzt habe. Bereits im Dezember 1958 hatte das Westfalen-Blatt berichtet: „Wenn alles fertig ist, dürfte der Flehmannshof, wo man mit freundlichen Farben, Gärten und Grünanlagen nicht spart, ein Schmuckstück im Bielefelder Wohnungsbau darstellen.“

„Seitdem haben sich die Ansprüche an das Wohnen in der Freien Scholle gewandelt, und nicht nur unsere Mitglieder, sondern auch die Häuser, in denen sie wohnen, sind in die Jahre gekommen“, gestand Koppmann zu. Deshalb werde die Freie Scholle – wie mit dem Siedlungsrat abgestimmt – in Kürze mit der Modernisierung der Siedlung beginnen. Der Schwerpunkt liege dabei auf der energetischen Nachrüstung der Gebäude mit dem Einbau einer Solaranlage. Darüber hinaus stehen die Sanierung der Bäder, Treppenhäuser und Hauseingangsbereiche sowie die Neugestaltung der Außenanlagen auf dem Programm.

Auch das genossenschaftliche Leben in der Siedlung hat sich in den letzten 50 Jahren gewandelt. Wie in ihren anderen Siedlungen auch, hat die Freie Scholle auch am Flehmannshof einen Nachbarschaftstreff eingerichtet. Er steht den Mitgliedern für selbst organisierte Aktivitäten offen. Regelmäßig treffen sich hier die Bastelgruppe und die Skatgruppe. Im Rahmen des Programms „Sport vor Ort“ bietet die BTG außerdem eine Seniorengymnastik an. Darüber hinaus steht der Nachbarschaftstreff mit seiner integrierten Gästewohnung den Bewohnern für die Ausrichtung privater Feiern und Feste zur Verfügung.

Mit dem Siedlungsfest wollen die Bewohner das Jubiläum ihrer Siedlung gebührend feiern. Dazu haben acht Bewohner der Siedlung im Festausschuss mit großem Engagement ein buntes Programm mit Live-Musik, Kinderflohmarkt u.v.m. vorbereitet. Außerdem erfolgt im Rahmen des Festes die Übergabe einer Mosaik-Säule, die von den Bewohnern der Siedlung in einem dreitägigen Workshop nach eigenen Vorstellungen gestaltet wird. Das Projekt ist Teil der Kooperation mit der Ideenwerkstatt Lebens(t)raum. Deren Ziel ist es, bis zum 100-jährigen Jubiläum der Freien Scholle im Jahr 2011 in jeder Siedlung von den Bewohnern eine solche Mosaik-Säule als Identifikationspunkt gestalten zu lassen.


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