„Vom Bau der Turnhalle zum modernen Dienstleister“

Festschrift und DVD zum 100-jährigen Jubiläum der Freien Scholle

Mit dem Eintrag ins Genossenschaftsregister wurde die Gründung der Freien Scholle am 21. Juni 1911 rechtskräftig. Weil Bielefelder Arbeiterturnern die Nutzung der städtischen Turnhallen untersagt worden war, hatten sie drei Tage zuvor die Genossenschaft gegründet, um sich selbst Turnhallen zu bauen. „Vieles von dem, was unsere Gründer heute vor hundert Jahren angestoßen haben, hat auch heute noch seine Gültigkeit", sagt der Vorstandsvorsitzende Bernhard Koppmann. Die wechselvolle Geschichte von der Turnhallen-Genossenschaft hin zu einem modernen Dienstleister auf dem Bielefelder Wohnungsmarkt zeichnen die soeben erschienene Festschrift und sowie die Jubiläums-DVD nach.

Anlass für die Gründung der „Baugenossenschaft Freie Scholle eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht" war die Weigerung der Stadt Bielefeld, den Sportlern aus der Arbeiterbewegung Turnhallen zur Verfügung zu stellen. Deshalb mussten die Arbeitersportler im Winter in den Tanzsälen von Gaststätten turnen. Keine ordentliche Heizung; Ärger, weil eine Gaslampe zu viel angezündet wurde; Turngeräte, die am Ende der Übungsstunde in den Keller gebracht werden mussten – all das machte es den Turnern nicht gerade leicht, ihrem Sport nachzugehen. Dazu kam die politische Verfolgung: Sprach bei den Arbeitersportfesten ein Festredner, dann nur unter Aufsicht der Polizei.

Immer wieder beantragte die „Freie Turnerschaft Bielefeld" deshalb vergeblich, die städtischen Turnhallen mitnutzen zu dürfen. Am 8. Oktober 1910 erhielt sie dann die amtliche Mitteilung der Schuldeputation der Stadt Bielefeld, dass die städtischen Turnhallen nur den bürgerlichen Vereinen der Deutschen Turnerschaft überlassen würden. Um den Sport dennoch unabhängig und ohne Bevormundung durch die Obrigkeit ausüben zu können, entschlossen sich die Sportler zur Gründung einer eigenen Genossenschaft. Sie sollte die Aufgabe haben, „dem Verein eigene Turnstätten zu verschaffen." Erst als die Stadt ihre Turnhallen vor Beginn des Ersten Weltkrieges auch für den Arbeitersport öffnete, rückte der Wohnungsbau an die erste Stelle der Geschäftspolitik.

„Vieles von dem, was unsere Gründer vor hundert Jahren angestoßen haben, bestimmt noch heute unsere Geschäftspolitik", betont Koppmann. So sei die genossenschaftliche Selbsthilfe, mit der die Turner den Bau der Turnhalle Ost an der Bleichstraße verwirklichten, auch heute noch Fundament für den Geschäftserfolg der Freien Scholle. „Weil sich viele unserer Mitglieder in der Vergangenheit immer wieder für ‚ihre‘ Genossenschaft eingesetzt haben, konnte die Freie Scholle schwierigste Zeiten wie zum Beispiel die Nazizeit oder den Wiederaufbau überstehen", betont Koppmann weiter. Heute seien die eigene Spareinrichtung und der Freie Scholle Nachbarschaftshilfeverein moderne Selbsthilfeinstrumente zur Unterstützung der Geschäftspolitik. Das gelte ohne jede Einschränkung auch für die ebenso zahlreichen wie vielfältigen Angebote, die die Ehrenamtlichen der Freien Scholle in den Nachbarschaftsreffs für die anderen Bewohner organisieren.

„Seit jeher sind die Mitglieder der Freien Scholle nicht nur Kunden, sondern auch Gemeinschaftseigentümer des Unternehmens", weist Vorstandsmitglied Kai Schwartz auf einen weiteren Grundsatz der Freien Scholle hin. Die Einbindung der Mitglieder in die Unternehmensplanung sei deshalb selbstverständlich und habe sich in der Vergangenheit immer wieder bewährt. Schwartz: „Viele wegweisende Neuerungen wie der Aufbau der eigenen Altenarbeit, die Weiterentwicklung der Serviceteams oder die Gründung der Haus-Service-GmbH sind hier angestoßen worden." Gleiches gelte für den Stadtumbau an der Albert-Schweitzer-Straße und an der Allensteiner Straße. Zur Weiterentwicklung des Wohnungsbestandes werden auch diese beiden Projekte in enger Abstimmung mit den betroffenen Mitgliedern umgesetzt.

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zukunftsentwicklung bleibe die Kommunikation mit den Mitgliedern, erklären Koppmann und Schwartz unisono. Ziel sei, die Wohnzufriedenheit der Mitglieder kontinuierlich und vor allem nachhaltig weiter zu erhöhen. Dazu müsse die Genossenschaft das Lebensgerechte Wohnen in der Freien Scholle weiterentwickeln und den Herausforderungen des demografischen, gesellschaftlichen und ökologischen Wandels Rechnung tragen. „In unserer Genossenschaft geht das nur in einem dauerhaften Dialog, das war vor hundert Jahren so, und das bleibt auch in Zukunft so."

Einen Überblick über die Geschichte und die Perspektiven des genossenschaftlichen Wohnens gibt die Festschrift „Genossenschaft ist Nachbarschaft – 100 Jahre Freie Scholle". Darin enthalten sind auch Reportagen der freien Journalisten Gitta Klemme über das Leben in den Siedlungen der Genossenschaft. Fachaufsätze von Experten beleuchten die Facetten des genossenschaftlichen Wohnens aus verschiedenen Perspektiven. Für das Layout ist der Hamburger Grafiker Johannes Nawrath verantwortlich.

Außerdem hat die Medienagentur Tri-Ergon Film im Auftrag der Freien Scholle eine DVD produziert, die neben Geschichte und Siedlungen auch den Unternehmensverbund der Genossenschaft vorstellt. Festschrift und DVD sind zum 100. Geburtstag erschienen und in der Geschäftsstelle der Freien Scholle zum Preis von 7,90 Euro für die Festschrift und 9,90 Euro für die DVD erhältlich.


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