Genossenschaftliche Selbsthilfe für gutes Wohnen

Freie Scholle blickt auf 25 Jahre Spareinrichtung zurück

Vor 25 Jahren gründete die Freie Scholle zum zweiten Mal in ihrer über 100-jährigen Geschichte eine Spareinrichtung. Damit wollte die Genossenschaft ihre Bautätigkeit unabhängig vom Kapitalmarkt finanzieren. „Eine Erfolgsgeschichte", zieht der Vorstandsvorsitzende Kai Schwartz zum Abschluss der diesjährigen Sparwoche eine überaus positive Bilanz, denn inzwischen ist der Spareinlagenbestand auf 76 Millionen Euro angewachsen.

„Die Entwicklung der Spareinrichtung zeigt, dass genossenschaftliche Selbsthilfe heute immer noch bestens funktioniert", so Schwartz. So lege die Genossenschaft jeden Euro ihrer Sparer in ihrem Hausbesitz an. Dadurch konnte sie immerhin 41 Prozent der gesamten Modernisierungs- und Neubautätigkeit der letzten 25 Jahre mit Hilfe ihrer Spareinrichtung finanzieren.

„Mitte der 1980er Jahre hatte sich die Freie Scholle aus dem öffentlich geförderten Wohnungsbau zurückgezogen. Es galt, für die ehrgeizigen Modernisierungspläne in den Siedlungen Im Siekerfelde und Spindelstraße neue Finanzierungsquellen zu erschließen", erklärt Schwartz die zweite Gründung einer Spareinrichtung im Jahr 1989. Dabei war das Prinzip des genossenschaftlichen Sparens denkbar einfach: Da die Spareinlagen für die Genossenschaft günstiger waren als Darlehen vom Kapitalmarkt, ersetzte sie das Fremdkapital nach und nach durch die Einlangen ihrer Sparer. Die Zinsersparnisse standen dann für die Modernisierung zur Verfügung.

Angesichts der zurzeit außergewöhnlich niedrigen Zinsen findet diese Umschuldung zwar heute nicht mehr statt, dennoch rechnet sich die Spareinrichtung nach wie vor für das Unternehmen. So betrug die Zinsbelastung durch Fremdkapital im Geschäftsjahr 2013 2,91 Prozent. Dank der Spareinrichtung konnte sie auf 2,06 Prozent reduziert werden. Die erzielten Zinsersparnisse kann die Genossenschaft in voller Höhe an ihre Mitglieder weitergeben. „Dadurch fallen die Zuschläge nach einer Modernisierung günstiger aus", so Schwartz.

Wegen der Niedrigzinsphase setzt die Freie Scholle inzwischen allerdings nicht mehr nur auf die Spareinrichtung, sondern greift auch wieder auf Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Darlehen) und zinsgünstige Kredite zurück. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Michael Größlich erklärt: „Eine alte Regel besagt, man soll nicht immer alles auf eine Karte setzen. Bei dem derzeitigen Zinsniveau können wir unsere Bauvorhaben mit einem Finanzierungsmix aus Eigenkapital, Spareinlagen und Kapitalmarktdarlehen finanzieren."

Unabhängig davon habe die Genossenschaft ihren Mitgliedern gegenüber einen Förderauftrag zu erfüllen. Diesem Ziel trage die Spareinrichtung mit ihrer Zinsgestaltung Rechnung. Größlich: „Letztlich können wir unseren Sparern einen doppelten Vorteil bieten - durch vergleichsweise attraktive Zinsen und durch eine gute Wohnqualität zu fairen Mieten."

Allerdings dürfen die Vorteile für die Mitglieder nicht die Wirtschaftlichkeit der Genossenschaft gefährden, betont Größlich. Deshalb seien Risikogeschäfte in der Freien Scholle ohne Wenn und Aber ausgeschlossen. Stattdessen legt die Genossenschaft die Spareinlagen ihrer Mitglieder ausnahmslos im eigenen Hausbesitz an.

Großen Wert legen Schwartz und Größlich darauf, dass die Spareinrichtung auch künftig ein Selbsthilfeinstrument zur Finanzierung der Bauvorhaben bleibt. So konnte die Freie Scholle mit Hilfe ihrer Spareinrichtung allein in den letzten vier Jahren knapp 60 Millionen Euro in Neubau und Modernisierung investieren. Auch bei der Finanzierung der geplanten Modernisierungsprogramme in den Siedlungen Heeper Fichten und Apfelstraße sowie beim Stadtumbau wollen sie an dem bisherigen Finanzierungskonzept festhalten.

„Durch die Investitionen in die Bautätigkeit wirken die Spareinlagen unserer Mitglieder auch positiv in der Region, schaffen Arbeitsplätze und generieren Steuereinnahmen für die Stadt", betont Größlich einen weiteren Aspekt des Scholle-Sparens. Darüber hinaus sei die intensive Bautätigkeit auch ein Beitrag zu einer nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung.

Zunehmend wichtig werde es insbesondere für viele jüngere Sparer, dass ihre Geldanlage nach ethischen Gesichtspunkten erfolge. Dazu erklärt Größlich: „Unsere Spareinlagen fließen ausschließlich in den eigenen Hausbesitz. Spekulation mit Lebensmitteln oder gar Rüstungsgeschäfte gibt es bei uns nicht." Stattdessen könne in der Freien Scholle jeder Sparer zum Beispiel an der Albert-Schweitzer- und Allensteiner Straße oder Auf dem Langen Kampe und am Niedermühlenhof genau sehen, wo und wie sein Geld arbeitet.

Hintergrund

Das genossenschaftliche Sparen als wichtiges Finanzierungsinstrument und als Voraussetzung für die finanzielle Unabhängigkeit hat eine lange Tradition. Gemäß dem Grundsatz vom Sparen - Bauen - Wohnen erfolgten die ersten Gründungen von Genossenschaften mit Spareinrichtung bereits in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Heute gehören dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. 48 Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung an.

Die Freie Scholle gründete 1989 zum zweiten Mal in ihrer Geschichte eine Spareinrichtung. Zum ersten Mal war die Idee zur Gründung einer eigenen „Sparkasse" bereits im Jahr 1913 in den Geschäftsberichten vermerkt. Bis zur ersten Gründung dauerte es dann noch bis zum Jahr 1928. Den Ausschlag dazu gab zweifellos die drohende Weltwirtschaftskrise.

Die Zielsetzung, die der Vorstand im selben Jahr formulierte, liest sich nahezu genauso wie die der heutigen Spareinrichtung. Der Vorstand schrieb: „Unsere Mitglieder haben es jedoch selbst in der Hand, diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Die eingerichtete Sparkasse gibt ihnen Gelegenheit, ihre Spargelder bei uns anzulegen, zur Stärkung der eigenen Mittel beizutragen und so die Genossenschaft vom Geldmarkt unabhängiger zu machen."

Die Einforderung der genossenschaftlichen Selbsthilfe durch den Vorstand war der damaligen Zeit entsprechend ebenso eindringlich wie eindeutig. „Wir erwarten, dass die Mitglieder im neuen Geschäftsjahr, soweit es in ihren Kräften steht, ein Sparkonto anlegen", hieß es im Geschäftsbericht für das Jahr 1928. Die Selbsthilfe durch Sparen zahlte sich allerdings aus: Dank der Sparleistung der Mitglieder konnte die Genossenschaft den ersten Bauabschnitt der Siedlung Im Siekerfelde trotz der Weltwirtschaftskrise fertigstellen und den Bau des Siedlungsgebietes Apfelstraße in Angriff nehmen.


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